Beim Homeoffice zeigen Zulieferer, wie es geht und wo es Konflikte gibt
Home Office – Neues Arbeiten in der Pandemie – Ergebnisse einer Umfrage 02/2021
Homeoffice – Mehr geht nicht!
Kunden wollen nicht, Eltern können nicht
- Zulieferer lehnen eine gesetzliche
Verpflichtung ab
- Zulieferbranche hat Tor zum virtuellen
Unternehmen aufgestoßen
- Umfrage bringt Konflikt zwischen
Homeschooling und Homeoffice ans Licht
Die Leichtigkeit, mit der Politiker nach dem Gesetzgeber riefen,
um Homeoffice weiter auszudehnen, hat die aufgeschreckt, die es mit
Investitionen und Management Arbeitnehmern ermöglicht haben, von zu Hause aus
zu arbeiten, zunächst um die Betreuung der Kinder angesichts von geschlossenen
Kindergärten sicherzustellen. Eine Umfrage ergab, dass die Zuliefer-und
Tech-Industrie zu den ersten in NRW gehörte, die massiv in Geräte und Lizenzen
investierte und traditionelle Abläufe in ihren Unternehmen auf den Kopf
stellte, um zeitgleich mit den ersten Kindergarten- und Schulschließungen im
März 2020 ihren Mitarbeitern das Arbeiten im Homeoffice zu ermöglichen.
Die Umfrage ergab nun, dass diese Branche nicht nur besonders
schnell war, sondern sehr konsequent umgestellt hat. Mehr geht nicht.
Jedenfalls nicht ohne weiteres Wissen zum Homeoffice als neuer Arbeitswelt.
Darum treffen Forderungen, Homeoffice weiter zu intensivieren, indem man es
gesetzlich vorschreibt, auf Unverständnis.
Hundert Prozent Homeoffice geht, aber nicht überall
Je nachdem wie hoch der Fertigungsanteil in einem Unternehmen ist, arbeiten 50-100% der Mitarbeiter im Homeoffice. Bei Beratern und Ingenieurdienstleistern arbeiten die kompletten
Belegschaften von zu Hause aus oder meldeten pro Bereich nur eine Person, die im Büro im Rahmen eines Schichtmodells anwesend ist. Laborbereiche und Konstruktion benötigen dagegen schon eher Anwesenheit, aber auch hier wurde wo es ging auf Heimarbeit umgestellt. Viele Unternehmen überlassen es ihren Mitarbeitern, die Teamarbeit aus dem Homeoffice zu organisieren. Waren schon vor Corona, gerade in internationalen Unternehmen, Arbeitsabläufe standardisiert und virtuelle Besprechungen an der Tagesordnung, gelang die Umstellung meist recht zügig. Selbstmanagement heißt bei vielen das Zauberwort. Dennoch, nicht alle, die können, wollen auch von zu Hause aus arbeiten. 20 Prozent sind es bei einem Ingenieurdienstleister, die das Büro vorziehen. Denn die Grenzen des Homeoffices zeigen sich bei den Arbeitnehmern zu Hause.
Nicht jeder will von zu Hause aus arbeiten
Aus der Umfrage geht klar hervor, dass Homeoffice dort an die
Grenzen stößt, wo die Mitarbeiter und ihre Familien gleichzeitig Homeschooling
oder Home-Kindergarden durchführen müssen.
Einmal stehen zu Hause nicht überall Bandbreiten zur Verfügung, die
es erlauben, dass gleich mehrere Personen datenintensiv online arbeiten. Und
was die Umfrage neu ans Licht bringt: Fehlende oder schlechte
Homeschooling-Konzepte und Formate führen dazu, dass der Elternteil oder die
Eltern im Homeoffice sich nicht auf ihre Arbeit konzentrieren können. Dieses
Störpotenzial scheint sich auch noch zu potenzieren, wenn mehrere Kinder zu
Hause sind, deren Schulen völlig unterschiedlich online unterrichten. Aus der
Befragung wissen wir, dass Unternehmen und einzelne Personen den Schulen oder
Lehrern persönlich Unterstützung oder eine Schulung angeboten haben, diese
Angebote wurden vielfach zurückgewiesen. Darüber können wir uns nur sehr
wundern! Überall wird Solidarität groß geschrieben, aber hier meint man, auf
sie verzichten zu können.
Schlechtes Homeschooling verdirbt gutes Homeoffice
Es sind also nicht nur unzureichende digitale Infrastruktur und
Geräteausstattung, die digitales Arbeiten einschränken, es ist schlicht und
einfach das fehlende Konzept für ein effizientes Homeschooling, das die
Mitarbeiter im Homeoffice früher an die Belastungsgrenze bringt als im Büro.
Also, wenn die Politik von der Wirtschaft mehr Homeoffice will, muss sie
zunächst erst einmal ihr eigenes Haus, den Bildungsbereich fit für das digitale
Zeitalter machen.
Nicht jeder Kunde nimmt Rücksicht auf Homeoffice
Ein weiterer Grund, warum aus Sicht der Zulieferer die
Intensivierung des virtuellen Zusammenarbeitens von zu Hause aus kaum möglich
ist, liegt bei den Kunden. Obwohl die Autohersteller oder große Teileabnehmer
selbst ihre Mitarbeiter ins Homeoffice geschickt haben, sind sie immer weniger
bereit, sich auf die Heimarbeitssituation bei ihren Unterlieferanten einzustellen.
Es gibt unterschiedliche Einschätzungen. Aus den Antworten glaubt automotiveland.
nrw e.V. aber herauslesen zu können:
Immer da wo die Zusammenarbeit oder gemeinsame
Entwicklungsarbeit zwischen Lieferant und Kunde durch persönliche Beziehungen
auch emotional gefestigt ist, ist gegenseitige Rücksichtnahme kein Problem.
Aber die Unternehmen sind nun mal auf einem der wettbewerbsintensivsten Märkte
tätig.
Kreativität braucht Zwischenmenschlichkeit und Emotionen
An dieser Stelle offenbart die Umfrage den wunden Punkt der
virtuellen Arbeit. Natürlich haben die Unternehmen die Arbeitswelt so
organisiert, dass regelmäßig zu virtuellen Mitarbeiterver-sammlungen eingeladen
wird und auch die Vorgesetzten mit ihren Teams virtuelle Konferenzen abhalten,
sogar Kaffeetrinken virtuell organisieren. Es fehlt jedoch das kurze Gespräch
„zwischen Tür und Angel“ und selbst ausgefeilte Konferenzplattformen mit toller
Bild- technik können keine Emotionen oder Zwischentöne transportieren.
Gerade wenn es zu Beginn eines technischen Entwicklungsprozesses
oder bei der Problemlösung auf Kreativität und Einfallsreichtum ankommt, Themen
und Abläufe kaum strukturiert sind, kann auf echte zwischenmenschliche
Kommunikation nicht verzichtet werden. Führt man sich vor Augen, dass die
Wertschöpfung beim Automobil zu ca. 75 Prozent durch Zulieferer erfolgt, sind diese
Unternehmen längst keine Teilelieferanten mehr, sondern Entwicklungspartner.
Viele Forschungsprojekte zur Elektromobilität sowie zum autonomen und
vernetzten Fahren sind in NRW und im Städtedreieck angesiedelt. Die Unternehmen
wollen selbst das Optimum zwischen Homeoffice und Präsenzarbeit managen, um
nicht ihre Innovationskraft zu riskieren.
Homeoffice hat die Tür zur Digitalisierung weit aufgestoßen
Auch wenn sich Homeoffice nicht weiter intensivieren lässt, und einige Befragte es sogar als wünschenswert erachten, ihre Mitarbeiter wieder zahlreicher im Büro zu versammeln, so zeichnet sich ab, dass gerade international vernetzte Unternehmen – und da gibt es im Bergischen unter den Zuliefern nicht wenige – langfristig auf virtuelle Arbeitsabläufe setzen. Ein Unternehmen sichert heute bereits vertraglich neu angestellten Mitarbeitern Homeoffice-Arbeitsplätze zu. Andere thematisieren in diesem Zusammenhang in der Umfrage bereits das Problem nicht mehr genutzter Büroflächen.
Tarifpartner treffen einvernehmlich Regelungen zum Homeoffice
Bei der Regelung des Homeoffices haben die Unternehmen die
Erfahrung gemacht, dass sie mit den Mitarbeitern und den Personalvertretungen
die Umsetzung während des Lockdowns einvernehmlich regeln konnten. Prinzipielle
Probleme beim Tarif oder Arbeitsrecht wurden bei der Befragung nicht genannt.
Es bedarf der Präzisierung, auch was steuerliche Fragen angeht, sollte
Homeoffice nun für die große Gruppe der Arbeitnehmer auch langfristig
Bestandteil der Arbeitswelt werden.
Wie wird die Küche zum ergonomisch optimalen Arbeitsplatz?
Auf lange Sicht treibt die Unternehmen vielmehr die Gesundheit
ihrer Mitarbeiter um. Es ist nämlich völlig ungeklärt, wie zu Hause ein
ergonomisch richtiger Arbeitsplatz ausschauen muss. Im Büro ist alles bis ins
letzte Detail geregelt und vermessen. Die Arbeit ist ja – nur weil sie nun in
der Privatwohnung verrichtet wird – nicht weniger geworden oder weniger
anstrengend. In diesem Zusammenhang wiesen viele Unternehmen auch darauf hin,
dass es viel zu wenig Erkenntnisse gebe, wie ein Team und die Mitarbeiter für
sich persönlich einen Homeoffice-Arbeitstag optimal zu gestalten und zu
strukturieren haben.
Hinweise auf dringenden Forschungsbedarf
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